Meine ersten Praxiserfahrungen in der neuen digitalen Gesundheitswelt

Vor ein paar Wochen lag ich krank im Bett und um einen Arztbesuch kam ich leider nicht mehr herum. Doch allein der Gedanke, mich in eine womöglich volle Arztpraxis zu schleppen, verschlechterte meinen Zustand noch etwas mehr. Doch halt, mein Hausarzt ist schon längst im digitalen Zeitalter angekommen und bietet Videosprechstunden an, die man problemlos über ein Online-Portal buchen kann.

Zu meinem Glück war noch am selben Tag ein Termin frei. Auch nach vielen Videokonferenzen war ich vor meiner ersten Videosprechstunde doch etwas aufgeregt, man weiß ja nie, ob die Technik klappt („Können Sie mich hören?“ ist ja wahrscheinlich der meistgesagte Satz bei Zoom-Meetings & Co.). Doch alles klappte auf Anhieb wunderbar und zum Schluss erhielt ich ein Rezept und eine AU-Bescheinigung, damit endete dann auch der digitale Weg vorerst. Eine AU-Bescheinigung für meinen Arbeitgeber konnte mir die Praxis per E-Mail schicken, aber die Bescheinigung für meine Krankenkasse und das Rezept erhielt ich einen Tag später per Post. Nachdem ich ein paar Tage später wieder fit war, führte mein Weg dann doch noch in die Arztpraxis, um dort meine Versichertenkarte (egK) einlesen zu lassen. Sollte das nicht schon längst anders ablaufen?

Digitale Gesetzesoffensive

Mit dem Thema Digitalisierung im Gesundheitssystem beschäftigen wir uns in der Stabsstelle „Politik, Strategie, Innovative Versorgungsformen“ bereits seit geraumer Zeit und stehen auch im regen Austausch mit unseren Mitgliedskassen. Aus diesem Grund war ich nicht allzu überrascht, dass alles noch nicht ganz so läuft wie ursprünglich vom ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn mit seiner wahren Gesetzesoffensive (2019: Digitale-Versorgung-Gesetz, 2020: Patientendaten-Schutz-Gesetz, 2021: Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz) geplant war. Die Digitalisierung sollte durch die Einführung u. a. der elektronischen Patientenakte (ePA, Start: 1.1.2021), des elektronischen Rezepts (E-Rezept, ursprünglich geplant ab 1.1.2022) und die elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU, sollte zunächst ab 1.7.2022 verpflichtend sein) möglichst schnell vorangetrieben werden. Dass es Handlungsbedarf gab und immer noch gibt, daran besteht kein Zweifel, denn mit einem Platz 16 von 17 Nationen laut der Bertelsmann-Studie “#SmartHealthSystems Digitalisierungsstrategien im internationalen Vergleich“ von 2018 kann man sich nicht zufrieden geben. Deshalb ein straffer Zeitplan und eine echte Herausforderung für alle Beteiligten, wie sich schnell herausstellte.

Boom der Videosprechstunde dank Corona

Doch zunächst ein positives Beispiel für die Entwicklung, denn seit Beginn der Corona-Pandemie konnte sich die Videosprechstunde innerhalb kurzer Zeit etablieren. Nachdem es 2019 insgesamt nur knapp 3.000 Videosprechstunden gab, stieg die Zahl der Patientinnen und Patienten die sich dafür entschieden, rasant an. Was vorher noch für viele schwer vorstellbar war, seine Beschwerden nicht in einem persönlichen Gespräch mit der eigenen Ärztin und dem Arzt zu besprechen, wurde jetzt zu einer Alternative für viele. Denn gerade zu Pandemiebeginn herrschte Verunsicherung, inwiefern man sich überhaupt noch in eine Arztpraxis trauen konnte. Das zeigen auch die rückläufigen Zahlen bei den Vorsorgeuntersuchungen während dieser Zeit.

Insgesamt wurden 2020 rund 2,5 Millionen Videosprechstunden von Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten abgerechnet und ein Viertel der Arztpraxen boten Videosprechstunden an. Die Anzahl der psychotherapeutischen Praxen mit diesem Angebot lag sogar noch darüber. Seit vergangenem März ist jedoch wieder ein leicht rückläufiger Trend zu beobachten.

Trotz meiner ersten positiven Erfahrung möchte ich beim nächsten Mal meinem Arzt doch lieber wieder gegenüber sitzen, das ist dann schon persönlicher. Es gibt Bereiche, wo es sicherlich keinen so großen Unterschied macht, beispielsweise bei Hauterkrankungen, bei denen die Betroffenem vorab ein Foto der auffälligen Stelle schicken können. Außerdem ist die Videosprechstunde ein niederschwelliges Angebot, das man zum Beispiel bei Rückfragen relativ problemlos in den Arbeitstag während einer Pause einbinden kann. Bei anderen Erkrankungen wiederum ist ein direkter Austausch und Kontakt zu der Ärztin oder dem Arzt ein wichtiger Bestandteil der Behandlung.

Insgesamt stehe ich der Digitalisierung im Gesundheitswesen sehr aufgeschlossen gegenüber und beobachte die Entwicklung gespannt. Schon seit längerer Zeit habe ich die ePA- und E-Rezept-App auf meinem Smartphone, aber die Erfahrungen damit sind doch eher begrenzt. Überrascht war ich, dass hierbei solche Themen wie die Verfügbarkeit der Technik auf dem weltweiten Chipmarkt eine Rolle spielt, doch das ist eine längere Geschichte und Thema für einen weiteren Blog-Beitrag.

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