Darf’s ein bisschen mehr sein? Wirtschaftsfaktor IGeL-Lei

Die Messung des Augeninnendrucks beim Augenarzt, die Reiseimpfung vor dem Start in den Urlaub, die Hyaluronspritze gegen die schmerzhafte Arthrose im Knie oder eine Lidstraffung gegen den müden Blick: Wohl jeder Patient hat von seinen Ärzten schon eine oder mehrere individuelle Gesundheitsleistungen, kurz „IGeL“ genannt, angeboten bekommen.

IGeL-Angebote sind im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht enthalten. Sie müssen daher als Privatleistung vom Versicherten getragen werden und sind für viele Praxen ein lukratives Geschäft, für das oft schon im Wartezimmer deutlich geworben wird. Bereits im Jahr 2015 lag der Umsatz mit IGeL-Leistungen Wissenschaftlern zufolge bei rund einer Milliarde Euro.

Dies allein sollte Patienten Grund genug sein, genau zu prüfen, ob ihnen eine angebotene Maßnahme wirklich hilft und ihr Geld wert ist. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn Patienten sind in der Regel eben keine Fachleute für Gesundheitsthemen und möchten ihrem Arzt und seiner Expertise vertrauen. Daher fällt es kaum einem Patienten leicht, in einer Arztpraxis ähnlich wie in einem Autohaus über Sinn, Nutzen und Kosten von Zusatzangeboten zu verhandeln.

Nur wenige IGeL erfüllen die Erwartungen

Doch eine gute Portion Skepsis ist mehr als angeraten. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (MDS) untersucht und bewertet IGeL-Leistungen nach wissenschaftlichen Methoden und veröffentlicht die Ergebnisse kontinuierlich auf seiner Website igel-monitor.de. In einer im Januar 2018 veröffentlichten Übersicht wurden 24 von 45 untersuchten IGeL-Leistungen als "negativ" oder „tendenziell negativ“ eingestuft, nur Dreien (Akupunktur zur Migräneprophylaxe, Lichttherapie bei Winterdepression und die - mittlerweile in den Leistungskatalog der GKV aufgenommene - Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz) wurde eine tendenziell positive Wirkung bescheinigt. Das Gros der Leistungen ist also im besten Falle nicht schädlich. Nötig ist es in der Regel nicht!

Die GKV zahlt alles Notwendige

Grundsätzlich können in der GKV versicherte Patienten sicher sein, dass ihre Krankenkasse alle sinnvollen Untersuchungen und Behandlungen erstattet, deren Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist. Die Kassen befolgen dabei das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V, nach dem Maßnahmen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen.

Gut informiert entscheiden

Patienten tun gut daran, sich nicht voreilig zu IGeL-Angeboten drängen zu lassen, denn IGeL-Leistungen können niemals dringliche Leistungen sein. Wer sich trotzdem dafür entscheidet, sollte zuvor auf einer ausgiebigen Beratung durch den behandelnden Arzt bestehen und sich darüber hinaus bei unabhängigen Quellen informieren. Dafür eignen sich neben dem bereits erwähnten IGeL-Monitor auch die Tipps und Checklisten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, das Informationsangebot der Unabhängigen Patientenberatung sowie die Empfehlungen der einzelnen Krankenkassen. Bei teuren Leistungen kann es durchaus sinnvoll sein, in einer weiteren Praxis ein Vergleichsangebot einzuholen, denn auch die Preise für gleiche Leistungen unterscheiden sich häufig von Arzt zu Arzt. Kommt es im Zusammenhang mit IGeL-Leistungen zu Schwierigkeiten, finden Patienten auf der Seite IGeL-Ärger der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen Rat und Unterstützung.

Wenn Patienten gut informiert Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, statt sie am Praxiseingang dem Arzt zu übertragen, werden unnötige Untersuchungs- und Behandlungsalternativen wieder das Nischendasein erhalten, das ihnen angemessen ist.

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