Gewalt in der Pflege - ein Tabuthema?

Gewalt in Pflegeheimen vorbeugen

Gewalt in der Pflege – ein Tabuthema?

Bestimmt haben Sie schon einmal Medienberichte über Misshandlungen oder Vernachlässigungen von pflegebedürftigen Menschen verfolgt. Vielleicht haben Sie selbst Anzeichen von Gewalt gegen hilfsbedürftige Senioren beobachtet.

 „Gewalt“ in der Pflege hat viele Gesichter

Gewalt bedeutet allgemein, „jemanden durch unangemessenes Verhalten zu schädigen oder schädigen zu wollen“[i]. Dabei ist sie manchmal nicht direkt erkennbar. Denn: Nur ein Teil von dem, was in der Pflege als Gewalt verstanden wird, ist rechtlich verboten. Körperliche Misshandlungen oder freiheitsentziehende Maßnahmen sind offensichtlich. Aber Grausamkeiten gegen Pflegebedürftige nehmen auch subtilere Formen an: respektloses Verhalten wie schimpfen oder anschreien, bevormunden oder Entscheidungen gegen den Willen der Pflegebedürftigen, Hilfe verwehren und Bedürfnisse nicht ernst nehmen… Die Aufzählung ließe sich gut und gerne weiter fortsetzen.

Umgekehrt kommt es auch vor, dass Pflegende Gewalt durch pflegebedürftige Menschen erfahren. Handgreiflichkeiten oder respektlose Gesten und Worte sind nur einige Beispiele. Damit professionell umzugehen, kann für Pflegende eine persönliche Herausforderung sein.

Gewalt in Pflegeheimen vorbeugen

An diesen Stellen setzt ein Präventionsprojekt in bayerischen Pflegeheimen zur Gesundheitsförderung und Gewaltprävention an. Unter dem Motto „Pflege in Bayern – gesund und gewaltfrei“ (gesund-gewaltfrei.bayern) nehmen die Initiatoren des Projektes um Professor Thomas Klie von AGP Sozialforschung Freiburg in einem bisher einzigartigen Ansatz in den nächsten zweieinhalb Jahren sowohl die Perspektive der Pflegenden wie auch der Bewohner in den Blick. Sie gehen dabei den Ursachen von Gewalthandlungen auf den Grund und liefern Strategien zu deren Vermeidung.  

In Zusammenarbeit mit der Hans-Weinberger-Akademie der AWO e.V. und der Hochschule München wollen sie in insgesamt 40 im Projekt teilnehmenden bayerischen Heimen für die Mitarbeitenden gesunde Arbeitsbedingungen schaffen, die sie vor Überforderung aber auch vor Gewalthandlungen und Gewalterfahrungen am Arbeitsplatz schützen. Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegeheimen sollen ebenso vor Gewalterfahrungen bewahrt werden.

Wie kann das gelingen? Unterstützt werden die Einrichtungen von erfahrenen Coaches. Die haben einen „Koffer“ mit erprobten Konzepten und Methoden im Gepäck. Passgenau können die Heime die für ihre Einrichtung stimmigen Maßnahmen daraus auswählen. Als Ergebnis des Projekts erwarten die Beteiligten, das Bewusstsein der Pflegenden für Formen von Gewalt in der Pflege zu schärfen und ihre Kompetenzen zu stärken, um Gewalthandlungen zu vermeiden. Ob dies gelingt, wird eine Begleitevaluation durch die Hochschule München zeigen. Nach erfolgreicher Durchführung können alle stationären Pflegeeinrichtungen in Bayern in Form eines Good-Practice-Katalogs von den Ergebnissen des Präventionsprojektes profitieren.

Die Gesunderhaltung, Wertschätzung und die Zufriedenheit der Beschäftigten wie auch der Bewohner in Pflegeeinrichtungen ist auch den beteiligten Kranken- und Pflegekassen ein Anliegen. Deshalb begleiten sie die Projektumsetzung und fördern das Vorhaben finanziell im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und der Prävention in Pflegeeinrichtungen.

Gewalt in der Pflege – kein Tabuthema!

Zurück zur Eingangsfrage. Ja, Gewalt in der Pflege ist ein Tabu. Weder ist sie ein Kavaliersdelikt, noch darf sie unter den Teppich gekehrt werden. Aber: Eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit dieser Materie darf kein Tabuthema sein. Sich damit zu beschäftigen und ein Problembewusstsein in Pflegeheimen zu entwickeln, ist ein erster Schritt, Pflegenden attraktive Arbeitsplätze zu bieten und Heime als Orte guten Lebens für die Bewohnerinnen und Bewohner weiterzuentwickeln.

Stand: 15. April 2021


[i] ZQP – Zentrum für Qualität in der Pflege, Berlin in ZQP-Ratgeber „Gewalt vorbeugen – Praxistipps für den Pflegealltag“, 3. Auflage, Berlin 2019 (www.zqp.de)

1 Kommentare

Kommentare zum Blogartikel

19.04.2021

Monika Lenker

Ein toller Hinweis, den man ebenso auf den Krankenhausbereich und in den Bereich häusliche Pflege übertragen kann.

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