Menschlich und ganzheitlich

Ein Sommerinterview mit der Vorständin des BKK Landesverbandes Bayern

Sigrid König steht seit Juli 2010 dem BKK Landesverband Bayern als Vorständin vor und wurde gerade vom Verwaltungsrat für eine weitere Amtsperiode bestätigt. Anlass, um mit ihr ein wenig Bilanz zu ziehen und sie nach ihren Herausforderungen, Plänen und Wünschen zu fragen. Ein sommerliches Interview im schönen Innenhof des Verbandsgebäudes.

Frau König, in den zurückliegenden elf Jahren haben Sie im BKK-System einiges erlebt. Was waren bislang Ihre größten Herausforderungen in der Führung des Verbands?

Als ich hier anfing, fand ich eine gefestigte Führungsstruktur vor, die nicht meinen Vorstellungen entsprochen hatte. Ich bin eine sehr begeisterte Teamplayerin und ich bin auch ein Mensch, der weiß, dass er nicht alles weiß - die Fachleute im Haus sind auch die guten Fachkundigen.

Es gab einiges zu verändern hier im Landesverband, damit die Mitarbeitenden Vertrauen haben, Verantwortung übernehmen und dann auch abteilungsübergreifend tätig werden. Da habe ich viel geändert in der Führung und auch für mich selber viel gelernt. Auch bin ich stolz, dass die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und das Engagement der Mitarbeitenden sehr groß sind.

Die Corona-Pandemie hat viele Schwachstellen in unserer Gesundheitsversorgung offensichtlich gemacht. Welche Lehren können wir daraus für unser System ziehen?

Wir müssen hier zwei Effekte unterscheiden: Das eine ist die politische Macht, die für meine Begriffe übermäßig ausgeführt worden ist. Und auf der anderen Seite ist der wirklich fachliche Diskurs zwischen ganz vielen Beteiligten, auch interdisziplinär, zu kurz gekommen. Ich wünsche mir einen tatsächlichen Expertenrat und viel mehr fachliche Auseinandersetzung. Wir haben die Polaritäten besetzt - die Angst-Polaritäten genauso wie die Querdenker-Polaritäten. Aber die Mitte, die auch einen fachlichen Konflikt und Diskurs aushalten und pflegen kann, die fehlt und ich finde, das ist die Hauptlehre neben vielen anderen Lehren aus Corona. Ich wünsche mir eine ganz andere Diskussionskultur und eine ganz andere Kultur des Aufarbeitens.

Der Gesundheitsminister hinterlässt eine teure Amtszeit mit festgefahrenen Versorgungsstrukturen. Ich spiele jetzt mal Fee und Sie haben drei Wünsche frei, mit denen Sie das Gesundheitswesen gestalten können. Welche Wünsche hätten Sie?

Mein erster Wunsch ist, dass der Mensch als ganzheitliches Wesen gesehen wird. Der Mensch ist nicht nur Maschine, die man repariert. Der Mensch ist Körper, Seele und Geist. Insofern ist es mir wichtig, dass das Thema des ganzheitlichen Wesens des Menschen in jede Ausbildung kommt, nicht nur in die Ausbildung des medizinischen Personals, sondern auch in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Wichtig ist, dass ein ganz anderes Bewusstsein in der Versorgung entsteht und dass dieses bei den Menschen ankommt. Ich glaube, dann können wir Gesundheit ganz anders gestalten.

Der zweite Wunsch ist, dass wir ganz dezidiert nur noch vom Patienten aus die Versorgung denken. Dann gibt es keine Sektorengrenzen mehr, dann gibt es vielleicht auch keine doppelte Facharztschiene mehr. Dann gibt es einfach einen Versorgungspfad, der optimal ist für den Menschen; auch da fehlt es bei uns sehr.

Und der dritte Wunsch ist tatsächlich, dass wir Lebensqualität als ein Merkmal in der Gesundheitsversorgung aufnehmen. Denn gerade am Lebensende passieren aus meiner Sicht manchmal Dinge, die nicht mehr verständlich sind. Man will viel Leistung am Menschen erbringen, aber ob es den Menschen tatsächlich in der Lebensqualität nützt, wird selten gefragt. Insofern müssen, so glaube ich, auch da die Kriterien verändert werden.

Sie sagten, dass eine am Menschen ausgerichtet qualitativ hochwertige Versorgung Ihnen besonders am Herzen liegt. Was verstehen Sie darunter und sehen Sie Chancen, dass sich das Versorgungsrad, das ja ziemlich festgefahren ist, in eine neue Richtung bewegt oder gar dreht?

Ich bin Optimistin. Deshalb glaube ich daran, dass sich etwas bewegen wird. Ich glaube auch, es muss sich etwas bewegen, wenn wir die Menschen wieder als ganzheitliche Wesen sehen. Wenn die Menschen lernen, sich wieder zu fühlen, dann können sie ganz gut  spüren, was ist gut für sie und was ist schlecht für sie. Es ist deshalb so wichtig, weil nicht nur Ernährung und Bewegung für Gesundheit wichtig sind, sondern vor allem auch Stressabbau. Wenn ich sehe, was stresst mich, was bringt mich aus dem Gleichgewicht, was tut mir nicht gut und wenn ich dann diese Dinge abstellen kann, dann habe ich ganz viel für meine Gesundheit getan.

Ich wünsche mir, dass dieses Wissen mehr bei den Menschen ankommt. Deshalb bin ich auch so engagiert, das Wissen um frühkindliche Bindungswirkung, das Wissen um die Epigenetik und das Wissen über die Psychoneuroimmunologie zu den Menschen und auch in die Gesundheitsversorgung zu bringen.

Der Landesverband einer Betriebskrankenkasse hat als Körperschaft öffentlichen Rechts einen gesetzlichen Auftrag, versteht sich aber auch als Serviceverband. Was zeichnet den BKK Landesverband Bayern besonders aus?

Wir sind sehr transparent, wir sind sehr kommunikativ und wir legen Themen offen auf den Tisch. Sowohl mit unseren Kassen sprechen wir sehr intensiv und deshalb wissen wir, was deren Wünsche sind. Aber auch mit den anderen Kassenarten sowie mit unseren weiteren Geschäftsbeteiligten sind wir in einem guten Austausch. Ich finde es ganz wichtig, aus einem Gegeneinander in der Vertragspartnerschaft, bei dem es ja häufig um finanzielle Interessen geht, in ein Miteinander um eine qualitativ gute Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu kommen. Dafür setze ich mich auch verstärkt ein und das funktioniert auch gut

Ihre Führungsstärke ist maßgeblich für den Erfolg des Landesverbandes. Mögen Sie uns etwas von Ihrem Erfolgsrezept verraten, wie Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich motivieren, Bestleistungen zu erbringen?

Ich kann die Menschen nicht motivieren, die Menschen können nur sich selber motivieren. Ich kann nur den Rahmen setzen, dass sie motiviert arbeiten. Der Rahmen heißt, viel Teamgeist und Kommunikation, viel Transparenz, Offenheit und viel abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Es wichtig, dass die Menschen ohne Angst arbeiten können, dass sie auch Fehler machen dürfen und mit ihren Fehlern wachsen. Ich habe schon das Gefühl dass diese Rahmenbedingungen wirken und auch verstanden werden und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier hoch angesehen werden.

Frau König, letzte Frage. Sie wurden vom Verwaltungsrat ein Jahr vor Ende ihrer Amtszeit für eine weitere Amtsperiode gewählt. Welche Themen sind Ihnen ganz besonders wichtig?

Erstmal freue ich mich sehr, dass ich meine Arbeit noch eine Zeitlang fortsetzen kann. Ich möchte versuchen, die ganzheitliche Sichtweise auf den Menschen noch mal weiter ins Bewusstsein der Versicherten, der Menschen und auch der Politik zu bringen. Das heißt, die Themen Epigenetik voranzutreiben und auch das Thema Psychoneuroimmunologie; also das Wissen, dass Psyche, das Immun-, Nerven- und das Hormonsystem  voneinander abhängen, ins Bewusstsein zu bringen. Alles muss im Gleichgewicht sein, damit der Mensch im Gleichgewicht ist.

Mir ist es wichtig, dass die Menschen lernen, wie wesentlich es ist, individuellen Stress zu erkennen und dann eben abzubauen, weil ich felsenfest aus meiner eigenen Erfahrung und auch, was aus der Wissenschaft bekannt ist, überzeugt bin, dass dies die besten Mittel sind, um gesund zu bleiben.

Natürlich ist eine richtige Ernährung wichtig und Bewegung ist wichtig. Aber, diese ganzheitlichen Zusammenhänge in den Fokus zu nehmen und zu versuchen, noch mal was zu verändern, das ist mein Hauptaugenmerk.

Und daneben ist es mir wichtig, mit den Playern im Gesundheitswesen neue Wege zu gehen. Neue Wege des Austauschs und neue Wege, gemeinsam Positionen zu finden, die tatsächlich für die Patientinnen und Patienten gut sind und die nicht durch andere Interessen überlagert werden. Und auch da habe ich das Gefühl, bin ich auf dem richtigen Weg.

Ganz herzlichen Dank, Frau König, für das Gespräch!

 

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