Das Ratespiel der Medizin beenden

Der bayerische BKK Tag hat den Spagat zwischen Datennutzung und Datenschutz im Gesundheitswesen thematisiert. Daten sind das Kapital des 21. Jahrhunderts, werden aber im Gesundheitswesen noch zu wenig genutzt. Welchen Wert haben Gesundheitsdaten für Prävention und Versorgung und wie kommen wir an sie heran? Kann künstliche Intelligenz die Gesundheitsversorgung verbessern? Diese und weitere Fragen waren Thema des Bayerischen BKK Tages, der am 13. Juli 2023 in München stattfand. Die Fachtagung wurde von Petra Bindl moderiert und war mit über hundert Teilnehmenden sehr gut besucht.

Täglich hinterlassen wir Daten in den weltweiten digitalen Netzwerken wie Suchmaschinen, Navigationshilfen, sozialen Medien, künstlichen Intelligenzen - die digitale Welt ist riesig. „Dr. Google ist für viele Patientinnen und Patienten längst zum Gesundheitsberater Nummer eins geworden. Symptome werden vor dem Arztbesuch gegoogelt, Diagnosen online recherchiert und Medikamente im Internet zu bestellen, ist gerade für die Jüngeren unter uns kein Problem mehr“, führt Dr. Ralf Langejürgen, seit Mai 2023 Vorstandsvorsitzender des BKK Landesverbandes Bayern, in die Fachtagung ein. Während viele Bürgerinnen und Bürger, so Langejürgen, ihre Daten bedenkenlos digitalen Plattformen anvertrauen, gäbe es bei vielen Menschen hierzulande ein schwer erklärbares Misstrauen gegenüber offiziellen Datensammelstellen. 

Gesundheitsdaten sind begehrt und wertvoll und können einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung leisten. Global agierende Konzerne wie Amazon und Co, aber auch Finanzinvestoren entdecken den lukrativen Datenmarkt für sich. In der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind die Hürden jedoch hoch, wie Langejürgen erläutert: „Die Krankenkassen verfügen über eine Vielzahl von Daten, können diese aber nur eingeschränkt nutzen. Rechtliche Vorbehalte und die Zurückhaltung der Versicherten schränken die Nutzung in Deutschland derzeit noch ein. In Dänemark und anderen Ländern sind die Vorbehalte geringer und der Umgang mit Gesundheitsdatenpools offener. Wir brauchen auch in Deutschland einen neuen, zukunftsfähigen Kompromiss zwischen Datensicherheit und Datennutzung“.

Ähnlich sieht es der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der in seinem digitalen Grußwort den Bundesgesetzgeber in die Pflicht nimmt: „Die Bundesregierung macht noch nicht genug. Die Datennutzung beispielsweise halte ich für zu wenig ambitioniert. Der Fokus liegt im bisher bekannten Gesetzentwurf auf dem Forschungsdatenzentrum und den Krebsregistern – aber es sollten weitere Datenquellen einbezogen werden. Der Umgang mit Daten hat das Potenzial, dem Gesundheitswesen einen echten Schub zu geben. Denn Daten können heilen und sind entscheidend für den Wissenschaftsstandort Deutschland.“

Video

Dr. Ralf Langejürgen

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Interview mit Dr. Ralf Langejürgen (Vorstandsvorsitzender des BKK LV Bayern)

Bayerischer BKK-Chef Dr. Ralf Langejürgen zur Gesundheitsdatennutzung und seinen Wünschen an die Politik.

Brauchen wir ein Umdenken?

Hierzulande haben vor allem gesunde Versicherte große Bedenken, ihre Gesundheitsdaten weiterzugeben. Anders sieht es bei chronisch Kranken oder Schwerkranken aus, die mit der Datennutzung auch Heilungschancen verbinden. Neben dem Recht auf Wissen gebe es auch ein Recht auf Nichtwissen, so der Konsens im Plenum einig. 

Abschließend plädiert Langejürgen daher für einen Paradigmenwechsel bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Sinne eines positiven Rechts auf Nutzung von Gesundheitsdaten. Dazu sei eine bundeseinheitliche Linie für den Datenschutz im Gesundheitswesen notwendig.