Gesunde Finanzierung, gesunde Versorgung – Experten diskutieren den Zusammenhang von Krankenkassenfinanzen und Versorgung

Rund 210 Milliarden Euro fließen im laufenden Jahr in den Gesundheitsfonds für die Versorgung von 71 Millionen gesetzlich Versicherten. Mit den Beitragsgeldern hat sich ein finanzstarker Wirtschaftsmarkt mit seinen typischen Angebots- und Verteilungsmechanismen entwickelt.

Steht in diesem Markt das Streben nach Gesundheit oder vielmehr die Behandlung von Krankheit im Fokus unseres Systems? Antworten auf diese Frage suchen Gesundheitsexperten heute auf einer Tagung des BKK Landesverbandes Bayern in München.

Zur Tagungs-Eröffnung erklärt Sigrid König, Vorständin des BKK Landesverbandes Bayern: „Jahrzehntelang galt die Devise, Geld folgt der Leistung als fortschrittlicher Weg. Heute stellen wir fest, dass Leistungsangebot und -bedarf explodieren, die Ausgaben stetig zunehmen und gleichwohl die Morbidität steigt. Damit hat sich der jahrzehntelang eingeschlagene Weg als Irrweg erwiesen. Wir müssen künftig sicherstellen, dass wir wieder die Gesundheit des Menschen in den Fokus der Versorgung stellen.“

Nach König hält ein rein krankheitsorientiertes Finanzierungssystem mit der Währung der dokumentierten Krankheiten einen Teufelskreis in Gang. Finanziert werde eine rein körperorientierte, technisierte Versorgung, die den Patienten in seiner diagnostizierten und dokumentierten Krankheit gefangen hält. Für ganzheitliche Versorgungsansätze, wie die Psychoneuroimmunologie, fehlen Finanzierungs- und Förderkonzepte. Selbst die Gesundheitsförderung sei eindimensional körperorientiert und in erster Linie auf Bewegungs- und Ernährungsprogramme fixiert.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betont: „Auch die Staatsregierung hält die GKV-Finanzierung für reformbedürftig. Im Fokus stehen dabei regionale Fehlverteilungen durch den Morbi-RSA, die Hochlohn- und Hochpreisregionen wie Bayern benachteiligen. Aber wir dürfen den Blick nicht nur auf die Finanzierung beschränken. Für mich steht der Mensch im Mittelpunkt, sowohl als Patient wie auch als Beitragszahler. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und wir wollen, dass es so bleibt. Das heißt auch, dass sich im Sinne der Versicherten die Kostenspirale nicht schneller und schneller drehen darf. Sondern: Wir müssen effektive, innovative und sektorenübergreifende Versorgungsformen voranbringen, um unser Gesundheitssystem zu verbessern." Die Ministerin unterstreicht: "Vom Innovationsfonds auf Bundesebene erwarten wir uns dafür wichtige Impulse und Erkenntnisse.“

Professor Jürgen Zerth, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Fürth stellt dar, wie Gesundheitsversorgung von gesteuerter Ungleichheit durch Wettbewerbsprozesse profitiert. Nach Zerth müsse es künftig darum gehen, neuen Versorgungsideen den Raum zur Entwicklung zu geben.

Andreas Beivers, Ökonomieprofessor an der Hochschule Fresenius in München, analysiert die Finanzierungs- und Behandlungsrealität an deutschen Kliniken. Im Rahmen der Qualitätsdiskussion sollte mehr Fokus auf die Indikationsqualität gelenkt werden. Dadurch könnten komplexe Instrumente, die versuchen, Mehrmengen zu regulieren, zumindest teilweise obsolet werden.

Zu den beiden Wissenschaftlern werden auf der anschließenden Podiumsdiskussion die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, der Vorsitzende des Vorstands der Audi BKK, Gerhard Fuchs und der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Bernhard Seidenath, begrüßt. Moderiert wird der BKK Tag von Ursula Heller, Bayerisches Fernsehen.

Der BKK Tag mit dem Titel: „Fluss der Gesundheit statt Sog der Finanzen“ findet am 11. Februar 2016 von 14.30 bis 17.15 Uhr im Konferenzzentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in der Lazerettstr. 33 in München statt.

Der BKK Landesverband Bayern vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der Betriebskrankenkassen und ihren Versicherten in Bayern.  Aktuell zählt der BKK Landesverband Bayern 17 Betriebskrankenkassen als Mitglieder mit über 2,9 Millionen Versicherten (Kassensitz). In Bayern selbst leben rund 2,5 Millionen Menschen, die bei einer Betriebskrankenkasse versichert sind. Damit verfügen die Betriebskrankenkassen im Freistaat über einen Marktanteil von gut 23 Prozent.